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Der CRO als „Sonderform“ des Interim-Managers

Der Begriff CRO (Chief Restructuring Officer) kommt aus den USA und steht für eine besondere Ausprägung des Interim-Management. Der Begriff wird in Deutschland nicht einheitlich verwendet und auch die Definition der Funktion und Rolle wird stark vom Umfeld des Managers beeinflusst.

Papier ist bekanntlich geduldig, Analysen zeigen notwendigerweise Krisenursachen auf. Zu ihrer Beseitigung tragen sie nur indirekt bei, auch wenn die Ableitung von Konzepten und Maßnahmenplänen enthalten sind, sind Gutachten nur so gut wie die daran anschließende Umsetzung.

Die Forderung nach einem Interim-Manager wird meist von Finanzierer- bzw. Kapitalseite gestellt. Das Motiv der Stakeholder ist mangelndes Vertrauen in das Unternehmen, in seine Führung und meist auch in seine Gesellschafter; Mangelndes Vertrauen die Wahrheit zu erkennen, die notwendigen Schritte zu ergreifen und die Dinge wirklich umzusetzen.
In der Regel ist die Ausgangssituation dann nicht mit einem klaren Risikoprofi unterlegt. Darin unterscheidet sich der CRO signifikant von anderen ebenfalls zur Füllung von Lücken und Defiziten eingesetzten extern Führungskräften.
Zur Bearbeitung von Defiziten im Finanz- und Rechnungswesen, oder in Planung und Controlling wird ein Chief Financial Officer (CFO) eingesetzt, stimmen Wertschöpfung und Produktivität nicht, kommt eine Chief Operation Officer(COO) zum Einsatz, ist der Vertrieb unstrukturiert unterwegs, wird gezielt ein Chief Sales Officer (CSO) gesucht.

Beim CRO ist es in aller Regel nicht so, hier ist ein übergreifendes Management-Verständnis Voraussetzung. Soll die Sanierung nachhaltig sein und die Anforderungen, die der IDW S6 an ein Sanierungskonzept hinsichtlich Wettbewerbs- und Renditefähigkeit stellt, erfüllen, so muss der CRO mehr leisten als Personal und Bestände abbauen, Kosten senken und Portfolio bereinigen. Er muss dafür sorgen, dass Rohertrag und Prozess- bzw. Strukturkosten wieder stimmig werden, dass die Wertschöpfungsstrukturen und -prozesse wieder zum Kundennutzen, zu den Vorteilen in Markt- und Wettbewerb passen, dass die Wertschöpfungstiefe stimmt und die Kapazitäten in zukunftsorientierte Technologien investiert werden.

Der CRO ist Stratege, muss ganzheitlich denken und parallel zu den Fragen der Liquiditätssicherung und Kostensenkung das Geschäftsmodell nach vorne bringen und das Unternehmen prozessorientiert ausrichten.
Er steuert quasi als „Systemkopf“ das Gesamtpaket der Umsetzungsmaßnahmen und Aktivitäten.
Genie ist der CRO aber nicht und muss er auch nicht sein, er muss Aufgaben delegieren und sich informieren und zuarbeiten lassen, er muss jedoch entscheiden, koordinieren und steuern und alle Beteiligten für eine gemeinsame Marschrichtung begeistern. Er muss sie zur sprichwörtlichen Extrameile motivieren, trotz harter Einschnitte und unpopulärer Maßnahmen.

Primäre Aufgabe eines CRO ist die Bewältigung von Unternehmenskrisen. CROs werden befristet für den Zeitraum der Restrukturierung bzw. Sanierung in das Unternehmen berufen und haben die Aufgabe, alle erforderlichen Maßnahmen zur Krisenbewältigung nach außen wie nach innen zu ergreifen und umzusetzen.
In seiner grundsätzlichen Prägung kommt der CRO einem CEO sehr nahe.
Er wird primär ein Unternehmen unter allen Umständen fortführen, den Schuldner befristet vor seinen Gläubigern abschirmen, Kapazitäten und Strukturen anpassen und gleichzeitig durch Verzichte und Schnitte sowie frisches Eigenkapital die Passivseite der Bilanz in Ordnung bringen.

Rolle und Positionierung von Sanierungsberater und CRO

In der Praxis werden Zielsetzung, Aufgabenspektrum, organisatorische Einbindung sowie inhaltliche Ausgestaltung im Rahmen jedes einzelnen Einsatzes individuell abgestimmt. Insbesondere die Ausstattung des CRO mit formalen Kompetenzen, seine organschaftliche Stellung und die rechtliche Fixierung der Kompetenzen ist ein zwischen Gesellschaftern, Finanzierern sowie dem bestehenden Management und anderen Stakeholdern heikles Thema, das es zu lösen gilt.

Der CRO ist dabei kein verlängerter Arm eines Stakeholders, sondern ausschließlich der Sanierung, dem Werterhalt bzw. der Wertaufholung des Unternehmens sowie den Eckpunkten des von den Stakeholdern verabschiedeten Sanierungs- bzw. Restrukturierungskonzeptes verpflichtet.

Der CRO in organschaftlicher Stellung

Er wird direkt von den Gesellschaftern bestellt und mit einer CEO-ähnlichen Stellung und organschaftlicher Weisungsbefugnis als Vorstand oder Geschäftsführer positioniert.
Er ist als Vorstand oder Geschäftsführer organschaftlicher Vertreter des Unternehmens und in seiner stärksten Form mit einem Vetorecht bzw. zusätzlichen Stimmrechten ausgestattet, so dass seine Entscheidungen nicht von der Zustimmung von Kollegen abhängig sind.

Häufig wird auch sein Aufgabengebiet im Geschäftsverteilungsplan definiert und ihm dafür die alleinige Entscheidungskompetenz eingeräumt. Notwendig ist hierfür die entsprechende Anpassung der Geschäftsordnung.
Mit der Bestellung geht der CRO in Sanierungssituationen allerdings in der Regel ein nur schwer kalkulierbares Risiko ein.  Als organschaftlicher Vertreter des Unternehmens haftet er genauso für die sachgemäße Leistung der Eigenkapitaleinlage wie auch für die Ordnungsmäßigkeit der Bilanz.
Um diese Risiken auszuschließen, wird in der Praxis der Weg einer Bestellung zum Generalbevollmächtigten durch die Gesellschafter gewählt, in der jegliche Weisungsbefugnis des Managements explizit ausgeschlossen wird.
Diese Konstruktion ist in der Praxis gut geeignet, wenn die Risiken unklar und nicht abschätzbar sind oder, zur Prüfung möglicher Risiken, vorgeschaltet zu einer späteren organschaftlichen Berufung.

Der CRO zwischen Management und Sanierungsberater

Verbreiteter ist die Positionierung des CRO ohne die dargestellten Gestaltungsmöglichkeiten und Kompetenzen, er steht formal neben dem angestammten Management. Er hat die Aufgabe, die verabschiedeten Umsetzungsprojekte voranzutreiben. Und wenn die Umsetzung hakt, fungiert er quasi als institutionalisiertes schlechtes Gewissen.
Hinsichtlich der Durchsetzungskraft handelt es sich eher um einen Projektmanager als um eine Führungskraft, über organschaftliche Kompetenz und Weisungsbefugnis verfügt der CRO dabei nur sehr begrenzt.
Es werden daher meist ausschließlich die Maßnahmen umgesetzt, die das alte Management verabschiedet und zur Umsetzung freigegeben hat.
Ein Mindestmaß an Durchgriff kann aber auch hier durch eine Vollmacht von Vorstand oder Geschäftsführung erreicht werden, die eine Weisungsbefugnis gegenüber der zweiten Management-Ebene sichert.

Der Sanierungsberater

Neben der neutralen Sicht, der Situations- und Branchenkompetenz sowie den Inputs durch Analogieschlüsse ist es die Kernaufgabe des Sanierungsberaters, die Sanierungsfähigkeit inklusive ihrer Voraussetzungen, Bausteine und Konzeptbestandteile zu definieren und in der Umsetzungsphase kontinuierlich nachzuhalten. Im Sinne von Konzeptkonformität und Zielerreichungsgrad verfolgt, berichtet und bewertet er den Zielerreichungsgrad aller Umsetzungsaktivitäten unter Berücksichtigung möglicher Veränderungen in Markt- und Wettbewerbsumfeld.
Der Sanierungsberater sichert damit Durchfinanzierung und den Bestand der Sanierungsfähigkeit und sichert die Basis der Tätigkeit des Managements bzw. CRO’s und ist deren kritischer Sparringspartner. Er ist für das Reporting, die Lenkungsausschusssitzungen und die Plausibilisierung aller Planungen verantwortlich.

Zusammenwirken von Sanierungsberater und CRO

Konzeption und Umsetzung aus einem Guss. Das erfordert die Integration des CRO in Detailanalyse und Konzeption – andererseits Teamfähigkeit und konzeptionelles Denken des CRO sowie letztendlich harte, ziel- und faktenorientierte Zusammenarbeit eines pragmatischen, lösungsorientierten Beraters mit einem CRO. Wer dabei letztendlich alle Handlungsstränge, Spielfelder und Puzzlesteine führt, ist situativ zu entscheiden. Wesentlich ist in jedem Fall, dass CRO und Berater wechselseitig als Counterpart fungieren, dass alle Aktivitäten, Handlungsoptionen und Alternativen hinsichtlich ihrer Zielerreichung, ihrer Konzeptrelevanz und damit letztendlich ihres Beitrags zum Sanierungserfolg kritisch hinterfragt und bewertet werden.

Rollenbezug in verschiedenen Krisenstadien

Strategiekrise:
Die Krisenbewältigung ist vornehmlich Managementaufgabe, unterstützt von externen Beratern, die den Strategieentwicklungsprozess strukturiert führen und mit dem Blick von außen für externe Inputs sorgen und damit den Blick über den Tellerrand erleichtern.

Ertragskrise: Es ist davon auszugehen, dass das Management seine Hausaufgaben nicht gemacht hat und Prozesse sowie Strukturen ineffizient sind.
Fürstentümer müssen eingerissen und mit alten Gewohnheiten gebrochen werden, das vorhandene Management ist davon i.d.R. selbst betroffen. Ohne zumindest interimistischen Wechsel im Management werden die Defizite nicht beseitigt werden können.
Mittel der Wahl kann auch ein Austausch auf der Führungsebene, entweder sofort oder nach einem professionellen Aufräumen durch den CRO sein.

Liquiditätskrise: Hier muss in aller Regel festgestellt werden, ob das Unternehmen überhaupt sanierungsfähig ist, ob es durchfinanziert werden kann und Wettbewerbs- und Renditefähigkeit wieder erreicht werden können.
Der CRO wirkt hier an der Ausgestaltung des Sanierungskonzeptes mit, wobei die Prüfung der Sanierungsfähigkeit inklusive der Eignung der vorgesehenen Maßnahmen immer beim Sanierungsberater als neutralem Externen anzusiedeln ist und nicht beim CRO, da dieser in letzter Konsequenz das Unternehmen vertritt, das auf dem Prüfstand steht.
Der CRO wird in der Umsetzungsphase Teil des Managements und Vertreter der Unternehmensinteressen, in seiner Rolle ist er nicht mehr Externer und Neutraler.

Ein CRO kann kraft Situationskompetenz und persönlicher Autorität vieles erreichen und bewegen – letztendlich braucht aber auch er ein Mindestmaß an rechtlichen Voraussetzungen, es sei denn, Management und Gesellschafter stehen wirklich voll und uneingeschränkt hinter der Sanierung und den dafür notwendigen Veränderungen, was aber nur in Ausnahmefällen umfänglich gegeben ist.

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